Zwei Monate Stockholm, und die sind nun wirklich wie in einem einzigen Augenschlag verflogen; andererseits kommt es mir vor, als wären wir schon viel länger hier im Norden. Der Start war holprig, zäh, schwer. Psychisch ging es mir gar nicht gut, ein bisschen wie ein Mini-Burnout fühlt es sich im Nachhinein an. Momente, in denen ich nicht wusste, woher ich die Kraft nehmen soll, morgens aus dem Bett aufzustehen – und: warum überhaupt ich hätte aufstehen sollen.

Denn laut Gefühl hatte ich mit unserem Schritt ins Ausland auf einen Schlag „alles“ verloren, was mir/uns in Frankfurt das Leben, den Alltag erleichtert bzw. uns einfach eine schöne Zeit beschert hat: Freunde, KiTa-Plätze, Babysitterin, meine Eltern, (m)ein berufliches Netzwerk. Ich habe mich gefragt, warum wir uns die Arbeit gemacht hatten, wozu wir diesen Schritt gegangen sind, warum wir „alles“ aufs Spiel gesetzt haben, wo wir davor doch – gefühlt – „alles“ hatten.

(„Alles“ steht ganz bewusst in Anführungszeichen, denn mir ist ganz bewusst, dass es ein zu großes, gewichtiges  und vor allem falsches Wort ist: Ich habe ganz bestimmt nicht ALLES verloren, in Wahrheit ja gar nichts…)

Zwei Monate Stockholm – unser neues Schweden-Leben

Zwei Monate später kann ich mich kaum erinnern, diese Gedanken gehabt zu haben. Denn: Es gab kein einziges faktisches Problem bislang. Wir hatten fünf Wochen Urlaub, die Kinder und ich. Das fiel mir nicht leicht, aber hat uns rückblickend einige Marmeladenglasmomente beschert und schon einen guten Einblick in unser neues Leben im neuen Zuhause ermöglicht.

Vor einem Monat startete dann die Förskola-Eingewöhnung, und ich habe wieder zu arbeiten angefangen. Seitdem läuft’s, ich kann es nicht anders sagen. Die Routine tut uns gut, die Sorge, dass die Kinder den Kindergarten, in dem sie kein Wort verstehen, ablehnen würden, war unbegründet. Zwei-, dreimal hatten wir morgens ein paar Trennungstränchen, die in der Sekunde, in der ich vom KiTa-Gelände um die Ecke bog, schon wieder getrocknet waren. Die Große hat mittlerweile zwei feste Freundinnen und spielt auch mit einigen anderen Kindern. Jeden Tag nach der KiTa will sie noch los mit ihren (deutschen) Freundinnen, was ich ebenfalls sehr begrüße, da die Mamas super lieb sind und wir viel zu besprechen haben. Mein kleine Tochter ist ohnehin ein Sonnenschein; wo auch immer sie entlang geht, sie hat die Leichtigkeit auf ihrer Seite. Beide Kinder rennen morgens in die Einrichtung und winken mir nur ein schnelles „Byebye“ zu, bevor sie beim Spielen verschwinden. Das ist das wohl größte Glück, das ich empfinde aktuell. Dass meine Kinder keinerlei Schwierigkeit hatten bzw. haben, mit der neuen Situation zurecht zu kommen. Es geht ihnen gut. Und damit geht es auch mir gut.

Zwei Monate Stockholm – unser neues Schweden-Leben

Während die beiden im Kindergarten sind, arbeite ich wie schon in Frankfurt, bzw. habe ich meine Stunden im Vergleich zu Deutschland auf 35 pro Woche aufgestockt. Von 9 bis 16 Uhr ist meine neue tägliche Arbeitszeit, und die vergeht wie im Fluge, mit „alten“, gewohnten To Dos und auch mit dem „New Business“, das ich hier starte. Ich liebe die Arbeit, und nach einem Monat im Homeoffice kann ich sagen, dass ich meine Routine gefunden habe und wirklich gut und produktiv arbeiten kann. 

Wir haben eine tolle Babysitterin gefunden; einer Agentur sei Dank. Sie spricht, wie unsere Babysitterin in Deutschland, spanisch, kann aber auch englisch, sollte es mal Sprachprobleme geben. Sie hilft uns zweimal pro Woche mit insgesamt acht Stunden aus; die Date-Night, die mein Mann und ich wöchentlich hatten, konnten wir also auch hier schnell wieder aufnehmen und unseren gemeinsamen Hobbys nachgehen: Sport, Sauna, die Stockholmer Gastro-Szene, und was auch immer sonst ansteht.

Zwei Monate Stockholm – unser neues Schweden-Leben

Wir haben eine gemütliche, schöne Wohnung, unser Viertel ist toll, die Leute sind freundlich, alles, ganz einfach das Leben, ist auf Kinder und Familien ausgerichtet. Der September ist dankbar, wir genießen die Sonne, die neue Stadt, den Anblick dieses wunderschönen Erdfleckchens, neue Bekanntschaften. 

Wir sind so gut und so sehr angekommen, dass ich, wie gesagt, kaum nachvollziehen kann, dass es erst zwei Monate her sein soll, seit wir angekommen sind. Es gibt schon Lieblingscafés, Lieblingsmärkte, Lieblingsspielplätze, Lieblingsrestaurants.

Ich fühle mich hier mittlerweile pudelwohl. Bin dankbar, froh und stolz, den Schritt gegangen zu sein. Freue mich auf alles, was bevorsteht. Ruhe in mir, mehr als ich es in Deutschland getan habe. Vielleicht, weil wir doch noch nicht so viele Freunde haben und damit einfach Optionen wegfallen. Es ist ein schlichterer, leichterer Alltag hier mit weniger Möglichkeiten, einfach, weil kein sozialer Druck besteht und weil ich ohnehin länger arbeite und damit Nachmittagsaktivitäten eingeschränkt sind. Die Wege sind kürzer, unser Alltag läuft kompakter ab. Nach der Arbeit hole ich die Kinder, wir gehen noch eine Runde spazieren (oder mit „den Deutschen“ auf den Spielplatz) und dann nach Hause, ich koche, habe Zeit für die beiden. Es klingt vielleicht komisch, aber ich habe hier noch keinen Stress gespürt. Generell sind die Schwed:innen gefühlt wahnsinnig entspannt, entschleunigt, die Ruhe überträgt sich auf mich. 

Zwei Monate Stockholm – unser neues Schweden-Leben

Es wird schon noch kommen, dass wir mit den Kindern Schwimmkurs, Turnen, Musik, usw. einplanen, dass wir mehr Leute kennen und dadurch die Tage voller werden. Aber aktuell liebe ich diese Entschleunigung, das Einfach gerade sehr. Es tut mir gut, ich bin „relaxed“.

Und: Ich bin glücklich hier, das hab ich jetzt ein paar Mal gemerkt, noch nicht so Herzklopf-glücklich, weil da für mich oft Freunde dazu gehören, und die richtig engen Freundschaften habe ich – oh Wunder – noch nicht geschlossen. Aber ich bin glücklich – für uns als Familie, für meine Kinder, da es hier so wundervoll für sie ist und Kinder einen ganz anderen Stellenwert haben als wir es bisher erfahren haben. Das wurde mir erst hier bewusst: dass Kinder ganz anders ins Leben integriert sind als es in Deutschland der Fall ist. Ich bin glücklich, dass uns gerade viele tolle Freunde und liebe Familie von zu Hause besuchen, einfach generell ganz schön dankbar, dass wir das durchziehen. „Durchziehen“ – und dass es sich nicht nach „durchziehen“ anfühlt, sondern sehr leicht, unbeschwert, entspannt, entschleunigt.

Zwei Monate Stockholm – unser neues Schweden-Leben

Ja, ein bisschen kann ich manchmal gerade mein Glück nicht fassen, wie richtig wir mit allem lagen, was wir blind entschieden haben. Wohnung, Kindergarten, irgendwie alles, unser Lebensmittelpunkt hier. Es liegt alles nah beieinander und fühlt sich tatsächlich wirklich so an wie Bullerbü. 

Was denn die Downsides sind, habt ihr mich in den Instagram-Nachrichten vor Kurzem gefragt. Gibt es keinen schlechten Beigeschmack? Hmmmm. Ich könnte jetzt auf Terrorstufe 4 eingehen, Koranverbrennungen, Entwicklungen in den Clans. Aber um ehrlich zu sein, „fühle“ ich davon so gut wie gar nichts im Alltag. Nicht hier in unserer Blase; wahrscheinlich so, wie man es auch in Sachsenhausen, Prenzlauer Berg, etc. nicht fühlt, was ein paar Stadtteile weiter Alltag ist.
Weitere Downside: Schweden ist teuer, keine Frage. Das ist am ehesten noch der fade Beigeschmack, der sich täglich bemerkbar macht.

Zwei Monate Stockholm – unser neues Schweden-Leben

Ansonsten muss ich sagen: Es geht mir gut, sehr gut. So „gerade Linie“ gut, ohne große Ausbrüche nach oben oder unten. „Steady“ im englischen, ich fühle mich hier sehr wohl. Obwohl wir neu sind und alles so aufregend sein könnte, fühle ich mich entspannt, ruhe in mir, genieße unser Viertel, unsere Straßen, das Lieblingscafé, die Zeit mit den Kindern. Laufrad, Fahrrad, fünf Minuten hierher, fünf Minuten nach Hause. Kürbissuppe kochen, Bücher lesen, Wäsche aufhängen, und abends: Ja, da könnte ich mich an die Fotobücher setzen, Bilder bearbeiten, mehr machen, mehr schreiben, mehr arbeiten. Aber ich genieße gerade. Ich gönne mir Pausen. Frankfurt war für mich oft anstrengend, viel, geschäftig, beschäftigt, sozialer Druck. Hier: schaue ich abends Serien, nicht jeden Abend, aber immer wieder mal und das ungelogen zum ersten Mal seit der Geburt meiner großen Tochter – also: seit knapp fünf Jahren.

Und an den Wochenenden, wenn wir als Familie gemeinsam Zeit haben, da düsen wir los und erkunden. Die fantastische Natur, die vielen Freizeitmöglichkeiten, Bauernhöfe, Pferdefarm, Märkte, Freizeitparks, Baumhäuser-Dörfer, Museen, das Wasser, Wälder, Tiere, Flora, Fauna. Wow, Schweden ist: ein Traum.

Zwei Monate Stockholm – unser neues Schweden-Leben

Und ich bin wirklich gespannt auf alles, was wir in den kommenden ein, zwei Jahren hier erleben. Freue mich, mir dieses Land mehr und mehr anzueignen, die Sprache ein wenig zu lernen, Freundschaften zu schließen.

Schauen wir mal, wie lange das mit der positiven Einstellung anhält, ob ich auch nach dem Winter noch Lust habe, hier weiterhin zu leben.

Zwei Monate Stockholm – unser neues Schweden-Leben

Ich freue mich, dass ihr mitlest. Auf Instagram gibt es fast tägliche Updates, da teile ich viele Snippets aus unserem neuen Schweden-Alltag. 

Liebst,
Lea Lou

Zwei Monate Stockholm – unser neues Schweden-Leben
Author

Hey, ich bin Lea Lou, Food-Fotografin, Content-Kreateurin, Mama und Yoga-Lehrerin.

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